Der Abschied von Den Helder fällt mir nicht schwer. Ich bin froh, dass es endlich los geht. Die Arbeit am Schiff hat Spaß gemacht, aber irgendwie ruft mich dann doch die See, und die Aufbruchstimmung, die am Morgen unserer Abreise in der Luft liegt, ist nicht zu übersehen. Noch einmal packen alle Hände mit an. Letzte Dinge werden verladen und alles darauf vorbereitet, dass der Schlepper kommt, um uns aus dem Hafen zu bringen.

Währenddessen wird es am Pier immer belebter. Eine kleine Band findet sich ein und eine Schulklasse ist gekommen, die TRES HOMBRES zu verabschieden. Die Kinder haben in den letzten Wochen ein Projekt für die Organisation Paint a Future gemacht, für die wir die Turngeräte an Bord haben. Außerdem kommen nach und nach immer mehr Freunde und Verwandte der anderen Crewmitglieder ans Schiff. Für viele von Ihnen ist es der emotionale Abschied, den ich schon hinter mir habe.

Dann ist es soweit. Es heißt „Leinen los!“ und der Schlepper bringt uns durch Kanäle und eine Schleuse hinaus auf’s Meer. Ich bekomme in der Zeit meine erste Einweisung darin, wie man sicher in den Mast klettert, steige hoch auf die zweite Rah und helfe das Topsail auszupacken. Es ist sonnig und am Rand der Schleuse unter mir tauchen die zurückgelassenen Freude aus der Werftzeit auf. Sie fahren uns noch soweit nach, wie sie können und johlen uns nach. Ein schöner und herzlicher Abschied vom Festland. Bis in acht Monaten, wenn wir wieder zurück sind.

Viel Zeit zum Nachdenken bleibt mir und den anderen an Bord allerdings nicht. Der Wind draußen auf dem Meer ist rauh, und wir müssen zwischen der Insel Texel und dem Festland kreuzen, bis wir das offene Meer erreichen. Erste Schritte auf dem schaukelnden Deck, erste, prüfende Überlegungen, ob ich Anzeichen der Seekrankheit spüre.

Kurz vor zwei Uhr am Nachmittag versammeln wir uns das erste Mal mit der gesamten Crew am Achterschiff. Wir werden in die Wachen eingeteilt und ich lande mit Herman, Gerrit, Emelie, Clem und François in der Steuerbordwache. Wir haben die erste Schicht bis zum Abend.

Vielleicht ist es das glücklichere Los, denn am ersten Nachmittag auf See ist niemand müde genug, um in die Koje zu gehen und zu schlafen. Also sind alle aus der anderen Wache mit uns an Bord. Den ersten von uns sieht man auch an, dass ihnen die See nicht so gut bekommt. Mich selbst ergreift eine so noch die da gewesene Müdigkeit und Mattheit. Immer wieder muss ich langsam machen, auf den Horizont schauen und durchatmen, damit mir nicht schlecht wird. Aber vom Schlimmsten bleibe ich verschont. Das Mittagessen fällt mehr oder weniger aus, da mir nicht nach Essen zu Mute ist. Zwei trockene Scheiben Brot müssen reichen und ich bin froh, dass sie dort bleiben, wo sie hingehören.

Am Ende meiner Wache falle ich todmüde in meine Koje und sofort in einen unruhigen, vom Auf und Ab des Vorschiffes gestörten Schlaf.

Die folgenden Tage und Nächte sind anstrengend und teilweise zermürbend. Wir haben großes Glück mit dem Wetter. Der Wind ist uns gut gesonnen und bringt uns rasch Richtung Norden. Während des zweiten Tages ziehen immer wieder Schauerböen über uns hinweg, aber es ist wechselhaft und immer wieder kommt die Sonne heraus. Ab dem dritten Tag auf See nimmt der Wind spürbar ab, was weniger Seegang zur Folge hat, uns aber auch bremst. Meine anfängliche Mattheit und die leichte Seekrankheit sind schnell überwunden und ich komme erstaunlich schnell mit den kurzen, immer wieder unterbrochenen Schlafphasen zurecht. Und trotzdem fühle ich mich wie sich ein Marathonläufer bei Kilometer 30 fühlen muss. Die Zeit an Bord scheint sich schier ins Unendliche zu denen, jeder Schritt kostet Kraft und es scheint noch so weit zu sein, bis wir unser erstes Ziel, Stavanger, erreichen.

Insbesondere die Nachtwachen machen mir zu schaffen. Wir fahren mit konstantem Kurs vor dem Wind nach Norden, um uns herum nur die pechschwarze Nordsee auf der sich der Mond mit seinem kalten Schein spiegelt. Es ist eiskalt, obwohl das Thermometer für Mitte Oktober erstaunliche 10 Grad anzeigt. Im Grunde sind es unglaublich schöne Nächte, die wir an Bord verbringen, aber ich kämpfe mit dem Schlaf und der Eiseskälte.

Wir sind in den Nächten zu fünft an Deck. Einer geht Ruder, ein oder zwei weitere sitzen vorne am Bug für den Ausguck. So lange der Wind nicht dreht und der Kurs konstant bleibt, gibt es nicht viel zu tun. Aber so lange man nur rumsteht, sich in eine Ecke kauert oder an Deck legt, kriecht die Kälte durch alle Lagen Stoff am Körper. Ich trage so ziemlich alles an Kleidung, was ich dabei habe, aber es ist viel mehr die Müdigkeit, und die wenige Bewegung, die der Kälte alle Türen öffnet. Sind hingegen Manöver zu fahren, Segel zu brassen und Leinen zu ziehen, vergehen Zeit und Kälte schnell.

In den kurzen Nächten, nach der Hundewache von 4 bis 8 Uhr am Morgen, bringt kurz vor Wachwechsel der Sonnenaufgang Erlösung. Er bringt Wärme und Licht, das die Müdigkeit vertreibt und das kräftige Frühstück direkt nach Wachwechsel dann das Seine. Genau so, wie der Gedanke an fast sechs Stunden Schlaf am Morgen.

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