Stavanger begrüßt uns an unserem ersten Morgen mit strahlendem Sonnenschein. Noch an unserem ersten Abend habe ich mit drei anderen Trainees den Beschluss gefasst, dass wir das schöne Wetter für einen ersten Landausflug nutzen wollen. Unser Ziel: Der Preikestolen, Norwegens wahrscheinlich bekanntester Felsen, der direkt über den Lysefjord in der Nähe von Stavanger aufragt.

Nach dem Frühstück und einer kalten Dusche aus dem Eimer an Deck geht es los zur Touristeninformation, wo wir prompt herausfinden, wie wir zum Preikestolen kommen. Eigentlich ganz einfach. Erst mit der Fähre von Stavanger nach Tau, dann mit dem Bus nach Lørpedalen und weiter mit dem Taxi zur Preikestolenhytta. Wie überall in Norwegen endet auch hier die Touristensaison im September, was oft bedeutet, dass die etwas abseits gelegenen Stationen nicht mehr von Bussen angefahren werden. Aber da wir zu viert unterwegs sind und uns die Taxikosten teilen können, soll uns das nicht abhalten.

Die Preikestolenhytta ist eine der vielen typisch norwegischen Berghütten, die im Grunde mehr mit einem Hotel gemeinsam haben, als der Name Hytta vermuten lässt. Vom großen Parkplatz aus, der vermuten lässt, wie viele Touristen sich hier im Sommer jeden Tag hinbegeben, führt ein Wanderweg bis zum Preikestolen. Unten warnt ein Schild ausdrücklich davor, den Weg bei Schnee und Eis anzutreten, und sollte man es bis 14 Uhr nicht bis zum Preikestolen schaffen, wird dringend empfohlen wieder umzukehren. Gut, dass wir früh aufgebrochen sind.

Bis zu unserem Ziel sind es knappe zwei Stunden über Stock und Stein den Berg hinauf. Zunächst noch durch Wald, die Hütte und den vor ihr liegenden See im Blick, wandern wir durch eine immer atemberaubender werdende Landschaft. Nur einen Katzensprung vom Meer und für uns vor allem von den Tagen auf See entfernt, wandern wir durch die norwegische Bergwelt mit ihren Steinen und Flechten.

Der Pfad zum Preikestolen ist fürwahr eine Autobahn für Bustouristen. Der Weg ist zwar durchaus anstrengend und steil, aber für norwegische Verhältnisse eigentlich völlig untypisch, ist er zu weiten Teilen präpariert und mit sorgfältig in den Stein gehauenen Treppenstufen ausgebaut. Ich frage mich noch, wer wohl hier oben die Steinbrucharbeiten verrichtet und von Hand Steine zu Treppen stapelt, als uns die Antwort begegnet. Ein Bautrupp, bestehend aus zehn chinesischen Bauarbeitern ist dabei, kurz vor dem Winter noch Teile des Wegs in Ordnung zu bringen. Und, wie ich es mir schon dachte, verrichten sie diese Arbeit zu einem großen Teil in Handarbeit.

Je höher wir steigen, desto karger wird die Landschaft. Über große, von Gletschern geschliffene Steinplatten geht es über eine weitere Kuppe bis plötzlich vor uns der Lysefjord auftaucht. Tief unten liegt er, eingezwängt in steile Felswände und tief blau.

Die letzten Meter des Weges laufen wir direkt an der Felskante die 600 Meter tief senkrecht zum Fjord hinab abfällt. Der Preikestolen an sich ist genau so steil und hoch, wie alle anderen Ecken hier oben. Aber seine außergewöhnliche Form exponiert ihn auf besondere Art. Wie von mächtigen Werkzeugen in den Fels gehauen steht er rechtwinklig hervor und bietet genau den Anblick, den man von den vielen Bildern der norwegischen Tourismuswerbung kennt. Wir können uns lange nicht am Felsen selbst und dem sich von dort aus bietenden Panorama satt sehen.

Es ist Mitte Oktober. Die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau und es weht nur ein mäßig kalter Wind. Wir sind mit gefühlt zehn anderen Menschen an einem der bekanntesten Orte Norwegens und genießen die besondere Magie dieses Ortes. Ob sich diese im Sommer, mit hunderten Touristen erschließen würde, weiß ich nicht.

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