Am Wochenende war ich in Hamburg und zufällig war gerade Elbfest. Eine schöne Veranstaltung. Viele hamburger Traditionsschiffe lagen im Hafen am Sandtorkai, mitten in der Hafencity. Auf den Kais gab es Stände, einen Flohmarkt, Livemusik.
Schade nur, dass es das letzte Mal gewesen sein könnte, dass solch ein Fest stattfindet. Es mag dramatisch klingen, aber Tatsache ist, dass die deutschen Traditionsschiffe kurz vor dem Aus stehen. Und der Grund dafür ist die bundesdeutsche Bürokratie, die es hierzulande so schwer wie in keinem anderen Land macht, ein Traditionsschiff zu betreiben.
Worum gehts? Traditionsschiffe sind sozusagen die Oldtimer der Meere. Und genau wie Oldtimer auf der Straße (die mit H-Kennzeichen), unterliegen Traditionsschiffe besonderen rechtlichen Bestimmungen. Die Auflagen zum Betrieb eines Traditionsschiffs sind nicht so streng wie in der Berufsschifffahrt, weil vieles was dort Standard ist, auf einem hundert Jahre alten Schiff schlicht nicht umsetzbar wäre. Außerdem soll so die Pflege des maritimen Erbes erleichtert werden. Auf der anderen Seite sind die Bestimmungen aber deutlich strenger als die Auflagen für private Yachten. Das betrifft sowohl die Anforderungen an die Sicherheit an Bord, als auch das Betreiberkonzept. So darf ein Traditionsschiff in Deutschland z. B. nur gemeinnützig betrieben werden. Gewinn erwirtschaften? Ausgeschlossen.
Das alles ist festgeschrieben in der sogenannten Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe, über die die Berufsgenossenschaft Verkehr wacht. Leider ist diese Richtlinie in vielen Punkten uneindeutig, was seit Jahren immer wieder zu Streitfällen führt. Zuletzt, als dem Bildungslogger LOVIS die Verlängerung des Sicherheitszeugnissen verweigert wurde. (im übrigen nicht weil man die LOVIS für unsicher hielt, sondern weil das Betreiberkonzept nicht deutlich genug der Pflege maritimen Kulturguts diente)
Damals gab es eine große Kampagne an der ich mich unter anderem beteiligte und einen Beitrag für das Buch „Feuer am Wind“ lieferte. Am Ende bekam die LOVIS ihr Sicherheitszeugnis und alles beruhigte sich wieder, da sie Sicherheitsrichtlinie sowieso komplett überarbeitet werden sollte.
Jetzt liegt der erste Entwurf zur neuen Sicherheitsrichtlinie vor und alles ist viel schlimmer als jemals befürchtet. Eigentlich war die Hoffnung, mit der neuen Richtlinie käme Klarheit und Rechtssicherheit für die wenigen noch verbliebenen Traditionsschiffe in Deutschland (der Bestand hat sich seit 2000 halbiert). Tatsächlich soll die neue Richtlinie die Auflagen, vor allem für die bauliche Beschaffenheit von Traditionsschiffen und die Ausbildung der Besatzung in einer Weise verschärft werden, dass es für viele Schiffe einfach nicht umsetzbar sein wird.
Der Kern des ganzen Problems liegt u.a. darin, dass alle Schiffe kleiner als 55m Länge über einen Kamm geschoren werden. Was bei großen Schiffen durchaus Sinn ergibt, z. B. die Unterteilung des Rumpfes in wasserdicht abgetrennte Sektionen, ist bei einem kleinen Schiff schlicht nicht umsetzbar. Vom Aufwand und der Tatsache, dass es im Widerspruch zur ebenfalls von der neuen Richtlinie erhobenen Forderung, die Schiffe baulich möglichst in ihrem Ursprungszustand zu erhalten, ganz zu Schweigen.
Ein anderes Beispiel: Die Ausbildung der Crew. Natürlich muss eine Schiffsbesatzung gut ausgebildet sein und auch die bestehenden Regeln stellen dies sicher. Nach dem neuen Entwurf sollen aber alle Mitglieder der Stammbesatzung eines Traditionsschiffs, alle zwei Jahre eine Seediensttauglichkeitsprüfung machen. Außerdem muss immer ein Crewmitglied an Bord eine medizinische Ausbildung haben und ein Crewmitglied mit in der Brandbekämpfung unter Atemschutz ausgebildet sein, was ebenfalls alle x-Jahre aufgefrischt werden muss. Das sind durchweg Regeln, wie sie für die Berufsschifffahrt gelten. Nur fährt ein Berufsschiff mit einer festen Mannschaft. Traditionsschiffe werden ausnahmslos von ehrenamtlichen Besatzungen betrieben, die meist in ihrer Freizeit auf dem Schiff fahren (man erinnere sich, es darf ja auch kein Gewinn erwirtschaftet werden aus dem man eine Proficrew bezahlen könnte). Dem entsprechend oft wechseln die Besatzungsmitglieder. Auf MYTILUS zum Beispiel fahren die Besatzungsmitglieder selten mehr als zwei Wochen im Jahr. Entsprechend viele Menschen müssten nach der neuen Richtlinie ausgebildet werden. Das ist schlichtweg nicht möglich.
Kurzum: Sollte der Entwurf für die neue Sicherheitsrichtlinie in dieser Form verabschiedet werden, wird es kaum noch Traditionsschiffe unter deutscher Flagge geben können. Ausflaggen? Hinschmeißen? Keine Ahnung, was die Konsequenz für die Betreiber sein wird. Sicher ist, das Elbfest wäre ohne die Tradtionsschiffe lange nicht so schön.
Wer mehr zum Thema lesen möchte:
Der Entwurf zur neuen Sicherheitsrichtlinie
Die Begründung des Bundesverkehrsministeriums zu den einzelnen Änderungen
Weitere Pressestimmen, gesammelt von der GSHW
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