Es sind ungefähr 7.400 Fotos auf meiner Reise mit der TRES HOMBRES entstanden. Das ist gar nicht so viel. Jedenfalls kein Superlativ, mit dem ich mich in der Fotografenwelt brüsten kann, aber ich habe schon immer weniger fotografiert als andere. Ist auch gut so, aber ein anderes Thema. Denn 7.400 Fotos sind immer noch ein riesiger Berg, wenn es darum geht, die zehn besten Bilder auszuwählen. Ich will heute kurz erzählen, warum ich mir diese Aufgabe aufgehalst habe, und wie ich zu meiner Lösung gekommen bin.
Der Schömberger Fotoherbst
Vor ziemlich genau zehn Jahren habe schon einmal beim Schömberger Fotoherbst mitgemacht. Damals mit einer Serie über Xinjiang, im Nordwesten Chinas, und tatsächlich war die eingereichte Bildserie so gut, dass die Jury sie unter die besten 20 gewählt hat und sie Teil der Ausstellung wurde. Irgendwie keine Frage, dass ich seitdem wieder teilnehmen wollte. Nur fehlte mir geeignetes Material und zwischendurch habe ich mich auch auf andere Genres der Fotografie konzentriert. Warum finde ich den Schömberger Fotoherbst – im Gegensatz zu manch anderem Fotowettbewerb – gut?
Der Schömberger Fotoherbst ist einer der größten deutschen Fotowettbewerbe für Reise- und Reportagefotografie. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, dass sich der Wettbewerb genau in meinem Genre bewegt. Außerdem muss man eine Bildserie (acht bis zehn Bilder) einreichen, die als ganze Serie bewertet wird. Das heißt, es kommt nicht auf das brillante Einzelbild an, sondern darauf, dass die Serie als ganzes überzeugt und möglichst eine Geschichte erzählt. Das ist für mich nicht nur reizvoller als einzelne Bilder, die bewertet werden, es hat auch enormen Einfluss auf die Bildauswahl. Dazu gleich mehr.
Zu guter letzt bewertet beim Schömberger Fotoherbst ausschließlich eine Jury. Okay, stimmt nicht ganz, denn es gibt auch einen Publikumspreis, der von den Besuchern der Ausstellung vergeben wird, aber der Hauptpreis und die Auswahl für die Ausstellung wird von einer Jury getroffen. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt, denn bei vielen anderen Wettbewerben gibt es meist eine irgendwie geartete Online-Abstimmung, die oft dazu führt, dass nur die Fotografen mit einer großen Fangemeinde eine Chance haben.
Langer Rede kurzer Sinn, ich plante also schon während meiner Reise in diesem Jahr eine Serie beim Schömberger Fotoherbst einzureichen.
Zehn aus Siebentausendvierhundert – die Qual der (Aus-)Wahl
Im Grunde habe ich schon vor Monaten mit der Auswahl der Fotos angefangen, weil ich permanent sortiert und ausgewählt habe. Immer, wenn ich Fotos bearbeitet habe, wurden diese auch mit Sternchen als Bewertung versehen. Drei Sternchen für Fotos, die gut genug sind öffentlich gezeigt zu werden, und vier Sternchen für besonders gute Fotos, die auch als Einzelmotiv funktionieren oder Best-of-tauglich sind.
Irgendwann habe ich mir dann in Aperture ein zusätzliches Album angelegt, in das Bilder wanderten, von denen ich mir, warum auch immer, vorstellen konnte, dass sie für eine Wettbewerbsserie taugen könnten. Die Themenstellung war von Anfang an klar, bei meiner Tour ging es – stark vereinfacht – um Segeln und Fracht. Also wählte ich Fotos aus, die einen dieser Aspekte besonders gut darstellten, oder Fotos, die aus anderen Gründen einfach zu meinen Lieblingsbildern gehörten. Dabei habe ich übrigens noch nicht darauf geachtet, wie viele Bilder in die Auswahl kommen, aber instinktiv waren es relativ wenige. Bis zum Ende meiner Reise kam auf diesem Wege eine Vorauswahl von nicht einmal vierzig Bildern zusammen.
Die Geschichte bestimmt
Im Grunde gibt es drei Kriterien, nach denen ich die Fotos für die Serie ausgewählt habe. Die Fotos mussten technisch fehlerfrei und ausdrucksstark sein und in der Summe die Geschichte meiner Reise widergeben.
Das erste Kriterium erfüllten im Grunde alle Fotos, die ich unterwegs schon ausgewählt hatte. Unscharfe Fotos oder Fotos mit schlechter Komposition hatten es gar nicht erst in die Vorauswahl geschafft.
Die beiden anderen Kriterien hängen, wie ich schnell merkte, zusammen. Zehn Fotos, die meine Reise darstellen. Segeln und Fracht waren die Schlagworte. Ich wählte also ein paar der wirklich postkartentauglichen Segelfotos, ein paar Fotos vom Verladen der Fracht, ein bisschen Sturm auf der Nordsee, ein bisschen Karibik. Die Balance sollte 50/50 sein, was irgendwie gar nicht schwer fiel. Außerdem erleichterte es die Auswahl ungemein, Kategorien zu haben, die die Serie strukturieren. Die grobe Struktur meiner Serie sah ungefähr so aus: vier gute, eindrucksvolle Segelfotos, vier Fotos vom Verladen der Fracht und zwei Joker. Durch diese Herangehensweise waren bestimmte Bilder schnell gesetzt. Es ging zum Beispiel nicht mehr um die im luftleeren Raum verortete Frage nach den besten Fotos, sondern etwas konkreter um die vier besten Fotos zum Thema Fracht.
Außerdem holte ich mir Feedback von ein paar guten Freunden, die, fast schon überraschend, mehr oder weniger dieselbe Auswahl trafen wie ich. Diskussionen gab’s vor allem an den Stellen, an denen zwei Bilder des im Grunde gleichen Motivs zur Auswahl standen.
Hier fiel die Entscheidung entweder, weil eines der Fotos zum Beispiel schärfer ist, oder, wie im Falle der Fotos vom Verladen der Kakaosäcke, das eine Motiv eindeutiger/“näher dran“ ist. Am Ende muss eine Jury entscheiden, die sich wahrscheinlich durch hunderte Bildserien wühlen muss. Sicher kein einfacher Job, bei dem wahrscheinlich oft das Bauchgefühl entscheidet, oder eben der spontane, erste Eindruck. Das wiederum bedeutet, die Fotos müssen auf den ersten Blick verstanden werden.
Auf dem ersten Foto ist mir, auf den ersten Blick zu viel LKW und Schiff. Das zweite erscheint mit geeigneter, um spontan beim Betrachter die Assoziation „Fracht“ zu erzeugen.
Am Ende blieben zehn Fotos übrig, die ich in eine Reihenfolge brachte, die dem Betrachter (der Jury) einen guten Ein- und Ausstieg ermöglicht. Deshalb habe ich das plakativste der Fotos als Titelbild an den Anfang gesetzt, und ans Ende noch einmal das Foto, das meiner Meinung nach die Story übers Segeln und die Fracht zusammenfasst. Versieht man die Fotos jeweils mit einem (spontanen) Stichwort, so soll sich die Geschichte meiner Reise ergeben.
So gingen die Fotos in den Druck. Viel zu spät, denn Einsendeschluss war schon zwei Wochen nach meiner Rückkehr nach Deutschland. Für den günstigen Online-Anbieter fehlte mir die Zeit. Also lies ich im Fachlabor bei mir in der Stadt drucken. Am Ende sicherlich die bessere Wahl, auch wenn die Abzüge so fast doppelt so teuer geraten sind. Aber so hatte ich sie zuverlässig einen Tag vor Einsendeschluss in der Hand.
Papier wirkt anders als Bildschirm
Was ich dann entdeckte, lies mich sprachlos zurück. Obwohl ich mir die ausgewählten Fotos wahrscheinlich hundert Mal, in allen möglichen Größen, auf dem Bildschirm angesehen hatte, ist mir nie aufgefallen, dass das einzige Hochformatbild der Serie nicht perfekt scharf ist. Interessanter Weise ist mir zuerst aufgefallen, dass der Hintergrund im Bild merkwürdig präsent ist. Konkret war es sowas wie: Hey, mir ist nie aufgefallen, dass da im Hintergrund ne Kiste steht. Erst bei der zweiten oder dritten Betrachtung fiel mir dann auf, woran das lag. Der Vordergrund ist minimal unscharf, der Fokus liegt eben auf dieser Kiste und lenkt damit den Blick vom Motiv weg.
Was tun? Eigentlich war ich schon dabei, die Fotos zu beschriften und für den Versand einzutüten. Nun ja, das Reglement des Schömberger Fotoherbst sagt, dass Bildstrecken mit acht bis zehn Fotos eingereicht werden müssen. Also habe ich das Foto kurzerhand rausgenommen. Lieber ein Bild weniger als ein Foto in der Serie, das einen fahlen Beigeschmack hinterlässt, weil es einen handwerklichen Fehler hat. Außerdem tanzte das Bild, als einziges im Hochformat, eh aus der Reihe.
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