Steven Hewison ist ein hagerer Mann mit großen Augen und wettergegerbter Haut. Man sieht im förmlich an, wie er bei Wind und Wetter im Weinberg steht und sich um seine Reben kümmert. Wann immer er vom Wein spricht, leuchten seine Augen.

Wir sitzen in der kleinen Kneipe direkt am Museumshafen von Douarnenez, die uns hier jeden Abend eine Heimat in der Fremde bietet. Sie ist seit unserer Ankunft in Frankreich quasi zum Wohnzimmer der TRES HOMBRES-Crew geworden. Auf dem Tisch stehen ein paar Flaschen Château le Puy. Es ist der Rotwein aus Bordeaux, von dem wir am Nachmittag acht Fässer in den Laderaum der TRES HOMBRES verfrachtet haben. Der Rotwein, den Steven anbaut und den er jetzt mit uns auf die Reise schickt. Nicht von A nach B, sondern einmal um den Atlantik, denn alle acht Fässer an Bord der TRES HOMBRES werden unangetastet wieder nach Frankreich zurückkommen.

Steven ist, wie der Name schon vermuten lässt, gar kein Franzose. Er ist in Schottland geboren und in jungen Jahren, auf irgendwelchen Umwegen, die er nicht näher erläutert, nach Frankreich gekommen. Genau genommen nach Bordeaux. Und da liegt es nahe, dass Steven das Winzerhandwerk erlernte. 22 Jahre ist das nun her und mittlerweile ist er der Mann hinter den Weinen des Guts Château le Puy.

Das Weingut selbst hat eine Geschichte, mit der man Bände füllen könnte. Seit 1610 ist es im Besitz der Familie Amoreau, die ohne Unterbrechung seit 14 Generationen biologischen bzw. biodynamischen Weinbau betreibt. „Wir haben noch nie irgendwelche Chemikalien an unsere Reben gelassen“ sagt Steven nicht ohne Stolz und erzählt, dass sie sogar noch weiter gehen. Von den etwas mehr als 50 Hektar, auf denen sie Wein anbauen, werden circa ein Drittel ohne den Einsatz von Maschinen bewirtschaftet. Mit Pferd und Ochse wird der Boden beackert und der Wein ausschließlich per Hand gelesen.

Keine Frage, Steven sucht in seiner Arbeit nach dem Besonderen. Und genau das machte für ihn auch den Reiz aus, als er 2011 auf Guillaume stieß und dieser ihm die Idee unterbreitete, ein paar Fässer des Weins per Segelschiff um den Atlantik zu schippern.

Was zunächst nach einer verrückten Idee klingt, hat tatsächlich historische Wurzeln. Schon vor mehr als zweihundert Jahren hat französischer Wein auf Segelschiffen den großen Teich überquert. Und man kann sich gut vorstellen, dass es zunächst ein Zufall war, der auch Fässer wieder zurück nach Frankreich brachte, wo die Weinkenner zu ihrem Erstaunen feststellten, dass der Wein auf hoher See ganz anders reift als im heimischen Keller. „Retour des Indes“ – „Zurück von den Westindischen Inseln“ nannte man diese Weine damals.

Guillaumes Idee klang also verrückt, war aber gar nicht so weit hergeholt und Steven war sofort dabei. Er ist ein Mann, der das Experiment liebt, die ungewisse Spannung, was wohl mit seinem Wein auf der Reise um den Atlantik passieren wird. Natürlich hat er erwartet, dass der Wein anders schmecken würde, wenn er wieder in Frankreich ankommt. Aber trotzdem, so sagt er, war das Ergebnis eine große Überraschung.

„Retour des Iles“ – „Zurück von den Inseln“ haben sie den Wein, in Anlehnung an das historische Vorbild genannt. Und wenn man Steven fragt, wie er denn sei, dann sagt er, es sei, als wäre der Wein viel älter, länger gereift. Er schmecke sanfter, runder. „Vielleicht liegt das an den Taninen im Wein, die sich auf der Reise verändern“ sagt Steven und schiebt gleich hinterher, dass es ihm eigentlich gar nicht so wichtig ist, was genau passiert. Ihn interessiert das Ergebnis, und das ist seiner Meinung nach ein voller Erfolg.

Natürlich ist ein Wein, der fast ein Jahr lang mit einem Segelschiff über den Atlantik gefahren wird, ein Luxusprodukt. Wer einen „Retour des Iles“ kauft, dem geht es vielleicht nur in zweiter Linie um eine gute Flasche Wein. Noch wichtiger als der Inhalt der Flasche mag die Geschichte hinter dem Wein sein. Aber so ist das vielleicht immer mit Liebhaberstücken. Sie lassen sich nicht rational erklären.

Und das ist sicherlich nicht nur bei den Kunden so. Auch Stevens Verhältnis zu jedem einzelnen Fass, das in den Bauch der TRES HOMBRES gehievt wird, ist ein ganz besonderes. Selbstverständlich packt er mit an. Er nimmt jedes der acht Fässer persönlich im Laderaum entgegen und schickt es mit einer Art ganz eigenem Ritual auf die Reise. Bevor die Fässer fest im Laderaum verkeilt und vertäut werden, rollt sie Steven sanft über den Stopfen an der Oberseite, der erst jetzt vollständig im Eichenholz verschwindet. Anschließend versiegelt er jedes der Fässer mit rotem Lack. Fast so wie früher Könige und Fürsten ihre Briefe verschlossen haben.

Jetzt ruhen die Fässer für die nächsten 8 Monate im Bauch der TRES HOMBRES. „Fast wie im Mutterleib“ sagt Steven und lächelt. Und da ist wieder dieses Leuchten in seinen Augen. Er sei gespannt, was diesmal aus dem Wein wird, sagt er. Es ist schließlich erst das zweite Mal, dass sie dieses Experiment wagen. Und jeder Jahrgang ist anders.

[wp_geo_map]